Neue Visionen für HPC und Medienkunst: Das Media Solution Center

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Das HLRS entwickelt einen digitalen Zwilling des Backstagebereichs der Staatstheater Stuttgart.

In einem Interview beschreibt MSC-Direktor Matthias Hauser innovative Zusammenarbeiten am HLRS von HPC-Experten und führenden Köpfen der Kunst- und Medienindustrie.

In Zusammenarbeit mit der Hochschule der Medien und dem Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) wurde 2018 das Media Solution Center Baden-Württemberg (MSC) am HLRS gegründet. Zentrale Aufgabe des MSC ist die Innovationsförderung in der Kunst- und Medienindustrie, indem es dieser Branche Zugang zu High-Performance-Computing- und Visualisierungs-Technologien sowie dem dazugehörigen Knowhow verschafft.

2019 übernahm Matthias Hauser als Direktor die Leitung des MSC. Hauser verfügt über mehr als 25 Jahre Erfahrung im Kulturmanagement und sieht im MSC eine großartige Plattform, als bindendes Glied zwischen den Wissenschaften und der Technologie, den Medien, kulturellen Organisationen, der Industrie und anderen Sektoren zu fungieren. Mit der wachsenden Zahl von Kunstorganisationen und Repräsentanten aus der Kunstindustrie, die mit dem MSC zusammenarbeiten, beweist das Center sein enormes Potenzial, der Medien- und Kunst-Landschaft gänzlich neuartige Wege eröffnen zu können. Als Schnittstelle zwischen HPC-Technologie und Kunst bringt das Center die Personen und Ressourcen zusammen, die es ermöglichen, visionäre interdisziplinäre Projekte zu unterstützen, die auf modernsten digitalen Werkzeugen aufbauen.

Herr Hauser, Sie haben den Großteil Ihrer Karriere im Bereich Kulturmanagement verbracht. Was hat Sie zu einem Wechsel in ein Höchstleistungsrechenzentrum bewogen?

In 2015 ist das HLRS auf meine Kunstagentur zugekommen, um zu fragen, ob wir nicht ein gemeinsames Projekt realisieren wollten. Durch eine Vernetzung zwischen dem HLRS und dem Itaú Cultural in São Paulo haben wir die Künstlerin Regina Silveira vorgeschlagen. Sie besuchte daraufhin in 2016 das HLRS und kreierte mit dessen Wissenschaftlern und Technikern ein Virtual-Reality-Kunstwerk namens Infinities. Das Werk wurde in der Kunstszene in Stuttgart bekannt. In 2018 entstand daraufhin im Kunstmuseum Stuttgart eine große Ausstellung über Virtual Reality in der zeitgenössischen Kunst unter der Kuratorin Frau Dr. Eva-Marina Froitzheim mit dem Titel Mixed Realities.

Picture of MSC director Matthias Hauser

Matthias Hauser, Geschäftsführer des Media Solution Centers.

Unsere Zusammenarbeit in diesen innovativen Projekten hat mich persönlich sehr begeistert. Als Prof. Resch mich gefragt hat, ob ich die Geschäftsführung des Media Solution Centers übernehmen würde, habe ich sofort zugesagt, weil es mich sehr interessiert, hier direkt am HLRS zu arbeiten. Es gibt weltweit kein anderes Höchstleistungsrechenzentrum, wo ein solches Konzept angeschlossen ist. So etwas zu haben ist einmalig.

In diesem Kontext hatten Prof. Dr. Michael Resch und ich uns öfters getroffen. Von Anfang an haben wir uns gefragt, warum wir nicht für die Stadt Stuttgart das erste eCulture-Festival gründen könnten? Diese Idee haben wir sehr intensiv in verschiedenen Sitzungen und Konferenzen bearbeitet, und in Zusammenarbeit mit der Stadt Stuttgart, dem Kunstmuseum Stuttgart und anderen Partnern ist daraus ein großes Projekt entstanden. Anlässlich des 25-jährigen Jubiläums des HLRS in 2021 wird eine Convention in Stuttgart stattfinden, der in 2022 das theGATE Festival (Global Arts Technology Environment) folgen wird. theGATE ist eine Initiative für das 21. Jahrhundert, um die Konvergenz von Wissenschaft, Kunst und Gesellschaft zu erforschen.

Worin sehen Sie die Hauptaufgabe des Media Solution Centers?

Unser Ziel ist, High-Performance Computing (HPC) allen Bereichen in der Medien-, Kunst- und Kulturlandschaft zugänglich zu machen. Am Anfang war das Media Solution Center auf die Verschlankung des Produktionsprozesses in der Film- und Animationsindustrie ausgerichtet aber seit unserer Offiziellen Gründung ist uns Interesse aus mehreren anderen Bereichen zuteil geworden. Das Media Solution Center arbeitet jetzt z.B. an Projekten mit der Staatsoper Stuttgart, dem SWR, dem Stuttgarter Kammerorchester, der Theaterkunst in Berlin, dem ZKM, der Filmakademie Ludwigsburg, M.A.R.K. 13 Filmproduktion und anderen Partnern, und unsere Tür steht für alle Interessenten offen.

Von Anfang an habe ich das Media Solution Center als sehr zukunftsweisend gesehen, weil aufgrund der Digitalisierung viele Künstler und Kultur-Institutionen spontan neue Arten von Fragestellungen haben. Künstler haben ein Gespür für den Puls der Zeit in der Gesellschaft, sie sind nahe an den aktuellen Themen dran, wie das Leben ist oder wie es sich verändert. Viele davon nutzen schon die neue Möglichkeiten, die digitale Technologien anbieten und setzen diese in ihren Kunstwerken um.

Das bedeutet, dass wir jetzt den Aufbruch eines neuen Kulturzweiges erleben: eCulture. Deswegen ist das MSC, auch wenn es sich noch in seiner Startphase befindet, mit all seinen Möglichkeiten nicht mehr wegzudenken. Die neuen Bewegungen in den Unternehmen, der Kultur und der Gesellschaft brauchen die Technologien und das Know-How von Wissenschaftlern, um ihre Konzepte umsetzen zu können

Das MSC koordiniert eine Zusammenarbeit zwischen dem HLRS und dem Staatsoper Stuttgart, um zu erforschen, wie die virtuelle Realität die Sanierung des Spielhauses unterstützen könnte. 

 

Picture of Stuttgart State Opera

Gleichzeitig ist es für die Wissenschaftler am HLRS spannend, sich mit den Künsten zu vernetzen, um wiederum ihre eigenen Fragestellungen besser lösen zu können. Dieser Austausch wird immer intensiver, weil die Kunst und die digitalen Medien oft zusammenfließen, und weil so viel Neues in Bereichen wie Augmented Reality und Virtual Reality passiert. Große Themen der Wissenschaft bekommen einen neuen Input durch die Sichtweise der Künstler und der Kulturschaffenden.

Das Besondere beim Media Solution Center ist, dass wir hier genau die richtigen Ressourcen haben, diese Vernetzung zu fördern. Am HLRS haben wir einen großen Rechner, Wissenschaftler und Experten für Visualisierung. Gleichzeitig arbeiten wir sehr eng mit Kollaborationspartnern wie der Hochschule der Medien und einem der wichtigsten Kunstmuseen weltweit, dem ZKM, zusammen. Wir sind nicht eine isolierte Institution, sondern wir nutzen praktisch die Kompetenzzentren von allen Partnern.

Wie funktioniert das MSC in der Praxis?

Wenn man das MSC-Logo betrachtet, sieht man einen runden Kreis. Wir wollen einen großen Tisch anbieten, an dem z.B. Wissenschaftler, Techniker, Visionäre, Philosophen, Künstler, Museumsdirektoren und Schriftsteller zusammenkommen und Problemstellungen gemeinsam angehen können.

Jeder ist am Media Solution Center mit seinem bestimmten Problem willkommen. Alle setzen sich dann an diesem Tisch zusammen, um ihr individuelles Wissen und die unterschiedlichen Fragestellungen untereinander zu teilen. Es wird dann gemeinsam überlegt, welche Ressourcen nötig sind, um etwas Spannendes in Angriff zu nehmen.

Jeder hat eine andere Sprache und eine andere Denkweise. Wir hoffen, dass solche Projekte Symbiosen aufzeigen, die sich im Media Solution Center ergeben könnten. Am MSC können wir diese auf verschiedenen Ebenen bedienen, koordinieren und schauen, was machbar ist.

Wie erleben Spezialisten aus verschiedenen Disziplinen diese Art der Zusammenarbeit?

In den ersten Runden mit verschiedensten Partnern haben wir mehrmals die gleiche Aussage gehört: „WOW, ich wäre nie auf die Idee gekommen, auf ein Höchstleistungsrechenzentrum zuzugehen!" Aber wenn sie zu uns kommen, eröffnen sich völlig neue Möglichkeiten: Ein Brainstorming auf höchster Ebene, und dann auch die Möglichkeit der Umsetzung der Ideen vor Ort. Daraus erschließen sich komplett neue Ansätze und Wege.

Wenn wir den Mut haben, aus unserem täglichen Arbeitsumfeld auszubrechen und ein freieres Umfeld zu betreten, wo nicht alles im beruflichen Kontext steht und alles bereits bekannt ist, dann haben wir den Freiraum, Neues entstehen zu lassen. Und dies kreieren wir am MSC und an anderen Orten. Wir fangen wieder an, zu experimentieren, und – sicher! – wir fahren Konzepte auch ‘mal an die Wand. Daraus entsteht wieder ein anderes Selbstvertrauen, eine neue Sichtweise auf das Eigene und somit letztlich Fortschritt. Fehler sind wichtig für den Fortschritt, und wir sollten ihnen einen Freiraum geben.

Wenn man jemanden aus dem Kontext herausnimmt — zum Beispiel in einer Zusammenarbeit zwischen Ärzten und einer Performancegruppe wie mit La Fura dels Baus, Barcelona — ist es extrem spannend zu sehen, was passiert. Die Technologie und die Wissenschaftler arbeiten dann Hand in Hand an einer Performance.

Das ist auch so, wenn Experten für Augmented Reality, Virtual Reality und Simulation deren Technik außerhalb ihres normalen Arbeitskontexts einsetzen. So bekommt man neue Ideen und eine ganz neue Sichtweise. Dafür steht das Media Solution Center: diese Vernetzung zu unterstützen und diese Visionen für alle zu ermöglichen. 

Interview von Christopher Williams