Auf dem Weg zur nachhaltigen Digitalisierung in Baden-Württemberg

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Ein vom HLRS geleitetes Projekt namens ENRICH wird einen digitalen Atlas entwickeln, um das Wachstum des IT-Sektors im Bundesland vorherzusagen und Möglichkeiten zur Steigerung der Energieeffizienz und Nachhaltigkeit zu identifizieren.

In den vergangenen Jahrzehnten haben sich die Informationstechnologie und das Höchstleistungsrechnen (HPC) rasant entwickelt und es gibt keine Anzeichen für eine Verlangsamung. Ein Nebeneffekt der zunehmenden Digitalisierung ist ein rascher Anstieg des Energiebedarfs und des Ressourcenverbrauchs. In Anbetracht der dringenden Notwendigkeit, Kohlenstoffemissionen und andere Umweltauswirkungen zu reduzieren, muss ein wesentlicher Bestandteil der Planung zukünftiger technologischer Entwicklungen sein, zu verstehen, wie sich die Nutzung digitaler Technologien in den kommenden Jahren entwickeln wird. Nur mit Hilfe von dieser Perspektive wird es möglich sein, Strategien zur Verbesserung ihrer Umweltleistung zu identifizieren. 

Das Höchstleistungsrechenzentrum Stuttgart (HLRS) leitet ein neues Projekt mit dem Namen ENRICH (Energie, Nachhaltigkeit, Ressourceneffizienz in IT und Rechenzentren), um die Zukunft der Digitalisierung in Baden-Württemberg zu untersuchen und Möglichkeiten zu identifizieren, Rechenzentren nachhaltiger zu gestalten. Das zweijährige Projekt wird vom Ministerium für Umwelt, Klimaschutz und Energiewirtschaft des Landes Baden-Württemberg gefördert. Beteiligt sind außerdem Mitarbeiter des Instituts für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung (IER) der Universität Stuttgart, der DIALOGIK GmbH und der Universität Ulm sowie Hewlett Packard Enterprise (HPE), dem Hersteller des Supercomputers Hawk am HLRS.  

„Die Förderung wird dem HLRS nicht nur dabei helfen, seine eigene Nachhaltigkeits- und Umweltleistung weiter zu verbessern, sondern ermöglicht es uns auch, die Auswirkungen der Digitalisierung in Baden-Württemberg generell zu bewerten“, sagt Prof. Dr. Michael Resch, Direktor des HLRS und Leiter des ENRICH-Projekts, „Letztendlich hoffen wir, dass unsere Ergebnisse und Empfehlungen dazu beitragen, neue Möglichkeiten zur Energieeinsparung zu identifizieren und andere in der IT-Branche bei der Anwendung von nachhaltigeren Betriebsmethoden zu unterstützen“. 

Megatrends der Digitalisierung

Für die Planung nachhaltiger digitaler Technologien in Baden-Württemberg ist es notwendig, die langfristigen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Megatrends zu verstehen, in denen sich diese Technologien entwickeln werden. Im Rahmen des ENRICH-Projekts wird Prof. Peter Radgen vom IER systematisch untersuchen, wie sich digitale Innovationen auf verschiedene Sektoren auswirken werden — zum Beispiel auf die Mobilität, die industrielle Fertigung und die Landwirtschaft — sowie auf die ökologischen Chancen und Herausforderungen, die durch die zunehmende digitale Vernetzung entstehen.

„Daten sind der Rohstoff der Zukunft“, sagt Radgen, „aber gleichzeitig verbrauchen wir immer mehr natürliche Ressourcen, um diese Daten zu verarbeiten. Lösung und Problem sind zwei Seiten der gleichen Medaille."  

Ein wichtiger Bestandteil dieser Studie wird sein, die möglichen Auswirkungen des verstärkten Einsatzes von künstlicher Intelligenz (KI) zu untersuchen. Dabei wird der Schwerpunkt nicht nur darauf liegen, wie das Wachstum von KI-Technologien den Energiebedarf erhöhen könnte, sondern auch darauf, wie KI-Methoden eingesetzt werden könnten, um den Energieverbrauch effizienter zu gestalten.

Nachhaltige Beschaffung und Betrieb von HPC-Technologie

Parallel dazu wird das HLRS zwei Schlüsselthemen der Nachhaltigkeit in Rechenzentren unter die Lupe nehmen — den Lebenszyklus digitaler Technologien und ihren effizienten Betrieb.  

Im ersten Fall werden HLRS-Mitarbeiter Beispiele für Beschaffungsprozesse identifizieren, die zeigen, wie ein optimaleres Gleichgewicht zwischen den Schlüsselfaktoren erreicht werden kann, die den Kauf neuer Hardware, Software und anderer digitaler Büroausstattung beeinflussen: technische Anforderungen, Beschaffungsrichtlinien, Kostenbeschränkungen und Nachhaltigkeitsaspekte. Dieses Arbeitspaket wird sich auch mit Fragen des verantwortungsvollen Managements der Lieferkette und der Entsorgung von Elektroschrott am Ende des Lebenszyklus eines Produkts befassen.  

In einem weiteren Arbeitspaket wird sich ENRICH mit aktuellen Trends und Entwicklungen zum nachhaltigen Betrieb von Hoch- und Höchstleistungsrechenzentren beschäftigen. In Zusammenarbeit mit HPE werden die Mitarbeiter des HLRS Methoden zur Verfolgung und Steigerung der Energieeffizienz untersuchen. Dabei werden unter anderem der Energiebedarf bestimmter Softwaretypen, Strategien zur Optimierung der Leistungseffizienz von Software auf HPC-Systemen und Möglichkeiten zur Energieeinsparung durch den Einsatz intelligenter Netze in Betracht gezogen. Darüber hinaus werden Forscher der Universität Ulm Möglichkeiten zur Energieeinsparung beim Betrieb der digitalen Büroinfrastruktur untersuchen.

Den Weg in die Zukunft aufzeigen

Best Practices für die nachhaltige Beschaffung und Nutzung digitaler Technologien werden in der Praxis nur dann hilfreich sein, wenn die empfohlenen Maßnahmen von der IT-Anwendern angenommen werden. Aus diesem Grund wird ENRICH eine Reihe von Workshops veranstalten, um die Perspektive der Anwender auf relevante Megatrends besser zu verstehen und die Umsetzbarkeit möglicher Empfehlungen für einen effizienteren Rechenzentrumsbetrieb zu diskutieren.  

Am Ende des Projekts wird ENRICH einen "Digitalen Atlas" für Baden-Württemberg erstellen, der einen geografischen Überblick über relevante Fakten, Zahlen und Prognosen zum Digitalisierungspotenzial bietet. Der Atlas wird ein Wegweiser zur Digitalisierung für Akteure aus Wirtschaft, Politik, Verwaltung und Bürgerinitiativen im Land sein.  

Wichtig ist, dass die im digitalen Atlas enthaltenen Daten mit dem bereits bestehenden Energieatlas Baden-Württemberg kompatibel sind. Diese Kopplung könnte es erleichtern, Möglichkeiten zur Wiederverwendung der Abwärme von Rechenzentren zur Beheizung anderer Gebäude zu identifizieren. Diese Symbiosen könnten dazu beitragen, die derzeit bei der Wärmeerzeugung und -verteilung anfallenden Kohlendioxid-Emissionen zu reduzieren.  

ENRICH wird am 6. Juli 2021 virtuell am Baden-Württembergischen Kolloquium Umweltforschung teilnehmen und beabsichtigt außerdem, in Zukunft öffentliche Workshops abzuhalten und Informationsmaterial zu erstellen, um ein besseres Verständnis von Best Practices für nachhaltige Beschaffung und nachhaltigen Betrieb im IT-Sektor zu fördern.  

Mit der Gestaltung besserer Modelle für zukünftige Entwicklungen im IT-Sektor sowie Empfehlungen für einen nachhaltigen Rechenzentrumsbetrieb soll ENRICH eine Roadmap liefern, die es dem Land Baden-Württemberg ermöglicht, zukünftige Entwicklungen in der Digitalisierung besser zu navigieren.  

— Christopher Williams