Hochauflösende Simulationen verbessern das Verständnis von Wetterextremen

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Hochwasser im Ahrtal im Sommer 2021. Foto: Christian - stock.adobe.com

Mithilfe des Supercomputers Hawk untersuchen Atmosphärenforscher präzisere Ansätze für die Modellierung von Risiken, die durch den Klimawandel entstehen.

Im Juli 2021 verursachte ein Starkregenereignis verheerende Überschwemmungen im Ahrtal in Westdeutschland. Das Wasser stieg bis zu siebenmal höher als bis dahin für ein 100-jähriges Ereignis abgeschätzt wurde, legte Kleinstädte in Schutt und Asche und tötete mindestens 135 Menschen. Die Katastrophe zeigte auf einen Bedarf an besseren Modellen für Hochwasserrisiken und an Krisenplanung in Gemeinden angesichts der Auswirkungen des Klimawandels.

„Wir gehen davon aus, dass mit der Klimaerwärmung die Intensität von Ereignissen wie dem Hochwasser im Ahrtal weiter zunehmen wird“, sagt Hendrik Feldmann, Spezialist für regionale Klimamodellierung am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). „Was nicht vorhergesagt werden kann, ist wann und wo genau Extremereignisse in Zukunft auftreten werden.“

In seiner Forschung entwickelt Feldmann Ansätze, die Gemeinden bei der Vorbereitung auf die neuen Risiken des Klimawandels helfen könnten. „Wir versuchen die Häufigkeit, Intensität und räumliche Verteilung von Wetterextremen im Klimawandel besser zu verstehen“, erklärt er. Konkret untersucht er, wie ein leistungsfähiger, hochauflösender Simulationsansatz, die sogenannte Convection-Permitting-Modeling (CPM), zu besseren Bewertungen und Abschätzung solcher Risiken auf lokaler Ebene beitragen könnte. Mithilfe des Supercomputers Hawk am Höchstleistungsrechenzentrum Stuttgart (HLRS) haben Feldmann und sein Team erforscht, ob CPM Vorteile gegenüber anderen Modellierungsansätzen bieten könnte. Sie haben auch begonnen, Informationen zu generieren, die bei der Anpassung an zukünftigen Klimaveränderungen helfen könnten.

Klimamodellierung wird immer präziser

Die regionale Klimamodellierung (RCM) liefert nützliche Erkenntnisse über das Klima und Extremereignisse, kann aber die Eigenschaften von lokal begrenzten Starkregenereignissen mit der bisher üblichen Auflösung nicht genau genug darstellen. Dieser weit verbreitete Ansatz bietet eine typische Gitterweite von 12 bis 25 km. Bei dieser Auflösung werden wichtige Merkmale nicht erfasst, die die Auswirkungen von extremen Wetterereignissen beeinflussen können. So kann RCM beispielsweise keine lokalen Details über Faktoren wie Temperatur, Niederschlag, Topografie oder Bodenbeschaffenheit auflösen, die allesamt besondere Risiken für bestimmte Gemeinden bedeuten können.

Convection-Permitting-Modelling könnte das Risiko von Extremereignissen möglicherweise genauer darstellen. Bei CPM werden die atmosphärischen Bedingungen in einem Maßstab von weniger als 4 km simuliert. Das bedeutet, dass CPM nicht nur ein viel feineres Modell der Atmosphäre und ihrer Beziehung zur Landschaft erfasst, sondern auch eine ausreichende Auflösung bietet, um die Konvektion zu untersuchen – den atmosphärischen Prozess, bei dem warme, feuchte Luft aufsteigt und Regenwolken bildet. Mit diesem höher aufgelösten Ansatz lässt sich die Entwicklung konvektiver Prozesse ohne die in gröberen Modellen erforderliche Parametrisierung simulieren.

Wissenschaftliche Abbildung

Vergleich zweier Simulationen eines historischen extremen Niederschlagsereignisses mit 200 km Auflösung (links) und mit 3 km Auflösung (rechts). CPM liefert ein viel realistischeres Bild der Niederschlagsvariationen aufgrund lokaler atmosphärischer Bedingungen und der Topografie, einschließlich der Unterschiede nördlich und südlich der Alpen. Bild: Karlsruher Institut für Technologie

Dank großer Supercomputer können Forschende CPM verwenden, um die Auswirkungen von Stürmen in bestimmten Gebieten auf Klima-Zeitskalen zu simulieren. Der Nachteil ist jedoch, dass CPM wesentlich rechenaufwändiger ist als RCM. Derzeit erfordert es einen gewaltigen Rechenaufwand, diesen Ansatz auf globaler oder langfristiger Ebene anzuwenden. Mit Blick auf die Zukunft möchten Atmosphärenforscher daher besser verstehen, wann und wie CPM am effektivsten eingesetzt werden kann.

Welche Faktoren verursachen extreme Niederschläge?

In einer kürzlich in der Fachzeitschrift Weather and Climate Dynamics veröffentlichten Arbeit vergleicht Dr. Alberto Caldas-Alvarez, ein ehemaliger Postdoktorand am KIT, der die Publikation zusammen mit Feldmann verfasst hat, die Ergebnisse der Convection-Permitting-Modelling mit denen regionaler Klimasimulationen. Das Team wollte feststellen, ob CPM tatsächlich die lokalen Eigenschaften extremer Niederschlagsereignisse besser simulieren kann als regionale Modelle.

Die Forschung wurde in dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekts ClimXtreme durchgeführt, in dem Feldmann das Modul „Physik und Prozesse“ koordiniert. Das Projekt konzentriert sich auf die Identifizierung von atmosphärischen Zuständen, die mit extremen Wetterereignissen in Verbindung stehen.

Caldas-Alvarez analysierte historische Wetterdaten aus den Alpen aus dem Zeitraum von 2000 bis 2015 und identifizierte zunächst vergangene extreme Niederschlagsereignisse. Im Anschluss nutzte er einen statistischen Ansatz namens Hauptkomponentenanalyse, um die spezifischen atmosphärischen Bedingungen zu ermitteln, die typischerweise mit diesen Ereignissen verbunden waren. Im nächsten Schritt analysierte er RCM- und CPM-Simulationen für denselben Zeitraum, um festzustellen, wie gut deren Wiedergabe extremer Niederschlagsereignisse mit den tatsächlichen historischen Messungen übereinstimmten.

Das Team entdeckte, dass sich das Convection-Permitting-Modelling in der Tat besser als die regionale Klimamodellierung für die Identifizierung extremer Niederschlagsereignisse eignet. Gleichzeitig stellten sie aber auch relevante Unterschiede in der Art und Weise fest, wie die beiden Modellierungsansätze die verantwortlichen Prozesse simulieren. Die Ergebnisse werfen offene Fragen auf, die in der künftigen Forschung untersucht werden sollten, um die Stärken und Grenzen der beiden Ansätze besser zu verstehen.

Trotz dieser Fragen deutet die höhere Genauigkeit der CPM bei der Darstellung extremer Niederschlagsereignisse darauf hin, dass sie bei der Entwicklung regionaler Klimaanpassungsstrategien helfen könnte. „Convection-Permitting-Modelling liefert im Vergleich zu Beobachtungen eine viel realistischere Verteilung als die traditionelle regionale Klimamodellierung“, sagt Feldmann. In der zweiten Phase des ClimXtreme-Projekts wollen er und sein Team das Verständnis für Extremereignisse wie Starkniederschläge, Hitzewellen und Windstürme weiter verbessern.

Künftige Hitzewellen in Süddeutschland

Im einem zweiten BMBF-geförderten Projekt namens RegIKlim (Regionale Informationen zum Klimahandeln) entwickelt Feldmann praktisch anwendbare Klimainformationen , mit deren Hilfe Kommunen in ganz Deutschland bessere Planungs- und Risikomanagementstrategien entwickeln könnten. Er ko-koordiniert das Teilprojekt NUKLEUS (Nutzbare Lokale Klimainformationen für Deutschland), dessen Ziel es ist, CPM-Klimasimulationen zu generieren, zu bewerten und zur Verfügung zu stellen, um die Entscheidungsfindung zu unterstützen. Darüber hinaus trägt er zum RegIKlim-Partnerprojekt ISAP (Integrative stadtregionale Anpassungsstrategien für eine wachsende polyzentrische Region: Region Stuttgart) bei, das mittels hochauflösender Klimainformationen die Anpassung an den Klimawandel in der Landeshauptstadt und ihrer Umgebung unterstützt.

Für eine Veröffentlichung in der Zeitschrift Natural Hazards and Earth Systems Sciences erzeugten Feldmann und das ISAP/NUKLEUS-Team ein Ensemble von regionalen Klima-Simulationen für künftige Hitzewellen in Süddeutschland. Die Kombination verschiedener Convection-Permitting-Simulationen auf Hawk am HLRS ermöglichen weitere Untersuchungen der Vorteile des CPM-Ansatzes. Die Forschungsergebnisse bieten auch weitere Einblicke in eine Zukunft im Klimawandel.

Ensemble-Median der Anzahl der Tage pro Jahr mit starkem Hitzestress in Süddeutschland, definiert durch den Universal Thermal Climate Index (UTCI) für 1971-2000 (a), eine globale Erwärmung von 2°C (b) und 3°C (c). Die Simulationen zeigen, dass es im Rheintal wärmer sein wird als in anderen Gebieten. Bild: Karlsruher Institut für Technologie

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So stellte das ISAP/NUKLEUS-Team fest, dass die Wahrscheinlichkeit von Hitzewellen in Deutschland zunehmen wird, insbesondere im Spätsommer. Auch ihre Schwere wird in einem wärmeren Klima deutlich zunehmen. Der daraus resultierende Temperaturstress hängt von landschaftlichen Gegebenheiten ab, wobei die stärksten Belastungen im Rheintal zu erwarten sind. Die Modellierung mithilfe von Convection-Permitting-Modelling ermöglichte die regionale Spezifität, die für diese nuancierte Projektion des Klimawandels erforderlich ist.

Simulationen liefern notwendige Erkenntnisse für die Planung

In einer weiteren Studie untersuchten Feldmann und Kolleg:innen den historischen Kontext des Ahr-Hochwassers und verglichen es mit Beobachtungsdaten vergangener Starkniederschlagsereignisse. Sie stellten fest, dass historische Ereignisse mit vergleichbarem Ausmaß zwar 1804 und 1910 auftraten, aber nicht in den Daten modernen Messnetze, die zur Bestimmung des aktuellen Hochwasserrisikos verwendet werden, welche nur ca. 70 Jahre zurückreichen. Eine Lehre aus ihrer Studie ist, dass die Risikomodellierung auch hydrologische Bedingungen und die Veränderungen in der Landnutzung berücksichtigen sollte, die sich im Laufe der Jahre ergeben haben. In Zukunft wird es laut den Forschern wichtig sein, solche Informationen mit optimierten Modellen der sich ändernden Klimabedingungen für bessere Risikovorhersagen zu kombinieren.

„Wir brauchen Klimadaten, um Statistiken darüber zu erstellen, wo und unter welchen Umständen Starkniederschlagsereignisse wahrscheinlicher sind, genau wie bei anderen atmosphärischen Extremen wie Hitzewellen. Dies sind wertvolle Informationen für Entscheidungsträger, Stadtplanung oder das Bauwesen“, so Dr. Caldas-Alvarez. „Mithilfe von Investitionen in Höchstleistungsrechner und hochauflösende Modelle lässt sich die große Unsicherheit zu verringern, die mit solchen Wetterextremen verbunden ist. Diese ermöglichen Entscheidungen, die Menschenleben, Infrastruktur und Investitionen besser schützen können.“

Heute ist Caldas-Alvarez nicht mehr am KIT, sondern arbeitet im Bereich Innovation und Entwicklung bei EDP, einem multinationalen Unternehmen für erneuerbare Energien. In dieser Funktion wendet er die Klimawissenschaft praktisch an und entwickelt analytische Instrumente, die die Vorhersage von Solar- und Windenergieerträgen verbessern sollen. „In einem Unternehmen für erneuerbare Energien erlebt man jeden Tag, wie wichtig der Zugang zu genauen und hochaufgelösten Vorhersagen und Simulationen ist“, sagt er. „Wir müssen die bestmögliche Qualität erreichen, denn manchmal entscheiden Abweichungen von weniger als 1 m/s darüber, ob ein Windprojekt weiterverfolgt oder abgelehnt wird.“

Durch die weitere Untersuchung von Convection-Permitting-Modelling möchten Feldmann und seine Partner die wissenschaftlichen Instrumente verbessern, die für präzisere Prognosen erforderlich sind.

— Christopher Williams

Weiterführende Artikel

Caldas-Alvarez A, Feldmann H, Lucio-Eceiza E, Pinto JG. 2023. Convection-parameterized and convection-permitting modelling of heavy precipitation in decadal simulations of the greater Alpine region with COSMO-CLM. Weather Clim Dynam. 4: 543-564.

Hundhausen M, Feldmann H, Laube N, Pinto JG. 2023. Future heat extremes and impacts in a convection-permitting climate ensemble over Germany. Nat Hazards Earth Syst Sci. 23: 2873-2893.

Ludwig P, Ehmele F, Franca MJ, et al. 2023. A multi-disciplinary analysis of the exceptional flood event of July 2021 in central Europe – part 2: Historical context and relation to climate change. Nat Hazards Earth Syst Sci. 23: 1287-1311.

Hawk wurde vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung über das Gauss Centre for Supercomputing (GCS) finanziert.