HPC in der Automobilindustrie: 10 Jahre Automotive Simulation Center Stuttgart

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Alexander F. Walser leitet das asc(s.

In einem Interview erklärt asc(s Direktor Alexander F. Walser, wie der aus Automobilherstellern, Engineering-Dienstleistern und dem HLRS bestehende Verband Innovation in der Entwicklung neuer Automobil-Technologien vorantreibt.

Seit vielen Jahren benutzt Porsche Simulationsressourcen am Höchstleistungsrechenzentrum Stuttgart (HLRS), um bessere Fahrzeuge zu entwickeln. Allerdings wurde in den frühen 2000er Jahren klar, dass existierende kommerzielle Softwarepakete mit der sich ständig verdoppelnden Coreleistung der Hardware nicht mehr Schritt halten konnten. Um die Entwicklung von effizienterer und effektiverer Software für die Simulation zu beschleunigen, schloss sich Porsche im Jahr 2008 mit dem HLRS, Daimler, Opel, und anderen Unternehmen — auch mit Unterstützung des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg — zusammen, um das Automotive Simulation Center Stuttgart zu gründen.

Seitdem steht das asc(s im Zentrum eines Netzwerks von großen und kleinen Unternehmen, die in diversen Bereichen der Automobilindustrie arbeiten. Da Simulationen einen Schwerpunkt des asc(s bilden, bleibt das HLRS weiterhin ein wichtiger Knoten in diesem Netzwerk. Als Teststand für neue Software-Lösungen und Quelle für hochaktuelle Kenntnisse über High-Performance Computing (HPC) arbeitet das HLRS mit anderen Mitglieder des asc(s eng zusammen.

Eine Veranstaltung am 6. Juni bot Mitgliedern des asc(s die Gelegenheit, einen Rückblick auf die letzten 10 Jahre zu werfen. Mit Vorträgen von Michael Resch (Direktor, HLRS und Vorstandvorsitzender, asc(s), Ulrich Steinbach (Ministerialdirektor und Amtschef, Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg) und Christoph Gümbel (Zukunftsforscher und ehemaliger Direktor Virtual Vehicles, Porsche) reflektierten die Versammelten die bisherigen Leistungen des asc(s und besprachen, was die Simulation in der Autoindustrie weiter ermöglichen wird.

Kurz vor der Gala sprachen wir mit asc(s Direktor Alexander F. Walser über die Tätigkeiten des Zentrums, welche Rolle das HLRS im asc(s spielt uns warum die Simulation für die Autobranche immer wichtiger wird.

Herr Walser, wie beschreiben Sie das asc(s?

Das asc(s ist eine Nonprofit-Vereinigung, die Automobilhersteller, Softwarehäuser, Hardwarehersteller, Engineering-Dienstleister, Start-ups und wissenschaftliche Einrichtungen zusammen an einen Tisch bringt, um die zukünftigen Anforderungen bezüglich der virtuellen Fahrzeugentwicklung abzuleiten und zu steuern. Wie ein OEM (Original Equipment Manufacturer, Originalausrüstungshersteller) einen Schraubendreher einkaufen kann, um ein Fahrzeug zu bauen, so versuchen wir die virtuelle Automobilentwicklung zu unterstützen, damit die Hersteller die richtigen Simulationsmethoden zur Hand haben.

Um dies zu ermöglichen, bündelt das asc(s die kritische Masse an Interessensgruppen, um Projekte starten zu können. Das kann die kritische Masse anhand der Expertise oder der Finanzierung sein.

Es ist uns auch ein wichtiges Anliegen, kleinere Unternehmen (KMUs) und wissenschaftliche Institute mit abzuholen und zu integrieren. Manchmal passiert es, dass ein KMU ein sehr innovatives Softwarepaket entwickelt, aber wenn die Schnittstellen nicht richtig geschaffen werden oder der Workflow nicht passt, wird es industriell nicht eingesetzt. Wenn OEMs und KMUs zusammenarbeiten, reduziert man das Risiko, etwas in die falsche Richtung zu entwickeln. Gleichzeitig bringt man sehr früh den industriellen Bedarf mit ein und ermöglicht allgemeingültige Lösungen, die den Bedarfen unterschiedlicher OEMs gleichzeitig entsprechen.

Vor 10 Jahren war die Grundidee des asc(s sehr innovativ. Heute ist sie absolut zeitgemäß und wird morgen sicherlich unabdingbar sein, um Innovation vorantreiben zu können.

Welche Rolle spielt das HLRS in diesem Netzwerk?

High-Performance Computing ist ein Schwerpunkt des asc(s, was sicherlich auch für unsere Unternehmensorganisation das Alleinstellungsmerkmal ist im Vergleich zu anderen Interessensverbänden in der Automobilindustrie. Wir können nur durch die Kooperation mit dem HLRS einen starken Fokus auf HPC behalten.

Die Kooperation mit dem HLRS ermöglicht es, dass wir immer auf der neuesten Hardwarearchitektur arbeiten. Die Architektur am HLRS ist durch seine häufigen Updates der Industrie einen Schritt voraus, weil die Taktzeiten bei der Industrie länger sind und die Cluster kleiner sind. Mit den Ressourcen am HLRS können wir frühzeitig zeigen, dass neue Methoden auf zukünftigen Cluster-Systemen funktionieren werden.

Aus Projektvorhaben mit dem HLRS erfahren wir auch die möglichen Problemstellen. Die Projekte sind sehr unterschiedlich aufgrund der Anzahl von Cores, die in einem Projekt verwendet werden, oder der Parallelisierung, die notwendig ist. Durch die Zusammenarbeit mit dem HLRS lernen wir, wie wir mit spezifischen Problemstellungen besser umgehen können.

Noch eine sehr wichtige Frage für OEMs und Kleinunternehmen ist, wie in einem modernen Workflow die Workstation unter dem Schreibtisch mit den Clustersystemen am HLRS gekoppelt werden können. Wir haben bereits vielfältige Workflows aufgebaut, in welchen unterschiedliche Prozesse zwischen den klassischen Workstations und dem HLRS automatisiert gekoppelt wurden. Die Daten und Ergebnisse werden automatisiert hin und her transferiert und nur die notwendigen Hardware- und Softwareressourcen in Anspruch genommen. In der Praxis müssen Ingenieure nicht alles auf die Hazel Hen schieben, sondern sie können diese sehr performante Rechenunit in ihre Workflows integrieren.

Was sind die wichtigsten Themen in der Simulation für die Zukunft der Fahrzeugentwicklung?

Vor 10 Jahren hat keiner über autonomes Fahren gesprochen. Elektromobilität war schon so ein bisschen in den Köpfen, aber nicht so präsent wie heute. Jetzt muss alles viel, viel schneller gehen. Der virtuelle Fahrversuch ist z.B. ein Thema, das immer wichtiger wird. Unzählige Testszenarien gilt es hierbei zu bearbeiten. Dabei eröffnet sich schnell die Fragestellung, wie wir HPC und Fahrsimulation koppeln können. Solche Themen müssen mittelfristig sicherlich auf einem Supercomputer bearbeitet werden und zeigen, wie wichtig es ist, die Vielzahl an Tests, die für eine sichere und effiziente Entwicklung notwendig sind, in die virtuelle Welt zu übertragen.

Technologische Trends wie künstliche Intelligenz gewinnen zudem immer mehr an Bedeutung. Das resultiert nicht nur darin, dass Fahrzeugsyteme neueste KI-Technologien nutzen, sondern auch die Frage, wie können wir Ingenieure mit KI-Technologien im virtuellen Entwicklungsprozess unterstützen und entlasten? Wie können wir KI einsetzen, um Simulationsmodelle schneller zu erstellen? Wie können wir aus unserer großen Menge von Simulationsergebnissen mehr Erkenntnisse herausziehen?

Aufgrund dieser neuen Trends ist die horizontale Vernetzung von Automobilherstellern, die das asc(s fördert, sehr wichtig, weil neue Key-Player in den Markt kommen, die noch nicht klassisch in der Zulieferkette integriert sind.

Welche Pläne hat das asc(s, um die Automobilindustrie besser auf die Zukunft der Simulation vorzubereiten?

In der Automobilindustrie gewinnt die Simulation immer mehr an Bedeutung. Deswegen ist jetzt auch eine wichtige Frage, wie sieht die Qualifikation der Simulationsingenieure oder generell der Ingenieure in Zukunft aus?

Am asc(s fragen wir uns aktuell, wie wir unsere Mitglieder unterstützen können, indem wir sicherstellen, dass Universitätsabsolventen die entsprechenden Grundkenntnisse mitbringen. Dazu gehört neben dem Dialog mit den Universitäten auch die Motivation der Studenten für die virtuelle Fahrzeugentwicklung, um Anwendungspotentiale aufzuzeigen und die Auswahl der richtigen Studienrichtung zu erleichtern.

Es ist nicht nur so, dass die entwickelten Methoden schnell eingesetzt werden, sondern dass auch die Nachwuchskräfte, die zum Beispiel von der Universität Stuttgart kommen, schnell in die Entwicklungsprozesse integriert werden können. Sie müssen dazu ein gewisses Grundverständnis haben für Simulation und IT, wie Workflows funktionieren, wie die Hardware funktioniert und wie Cloud-Technologien funktionieren.

Der Bedarf an Simulationsexperten steigt stetig an. Wir können durch die Förderung von Nachwuchskräften nicht nur für die Industrie einen Vorteil bieten, sondern auch den Forschungsstandort Baden-Württemberg stärken, indem wir junge Talente in unsere Verbundprojekte direkt integrieren. Wir erwarten, dass die Kooperation in diesen Punkten in Zukunft noch stärker stattfinden wird.

— Interview von Christopher Williams